von Bürgermeister a.D. Dr. Carsten Sieling

Präsident des Senats und Senator für Kultur a.D.

aus "Mauern öffnen: 40 Jahre Bildhauerwerkstatt in der JVA Bremen"

 

Liebe Leserinnen und Leser,


vor 40 Jahren wurde die Bildhauerwerkstatt in der Justizvollzugsanstalt Bremen eröffnet. Es lohnt sich, einen Blick zurück zu werfen, weil dieses Projekt Ausdruck für die gesellschaftliche Aufbruchstimmung der 1970er Jahre war, zu der auch die Reform des Strafvollzugs gehörte. Der Gedanke der Resozialisierung der Gefangenen stand dabei mit im Vordergrund. Gleichzeitig gab es diverse kulturpolitische Anstrengungen, möglichst viele Menschen an Kunst und Kultur teilhaben zu lassen, zum Beispiel durch Kunst im öffentlichen Raum. Beides beförderte den Aufbau der Bildhauerwerkstatt. Bremen erwies sich mit ihrer Gründung und dem Programm für Kunst im öffentlichen Raum bundesweit als federführend.


1976 schrieb der Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst in Bremen einen bundesweiten Wettbewerb für Kunst im öffentlichen Raum aus, der Künstler und Künstlerinnen aufforderte, sich mit sozialen Orten der Stadt auseinanderzusetzen. Siegfried Neuenhausen, der den Zuschlag bekam, wollte mit Gefangenen Kunstwerke für eine Parkanlage in der Nähe des Gefängnisses schaffen. In dem damaligen Anstaltsleiter Erhard Hoffmann hatte der Professor der Hochschule für Bildende Künste Braun¬schweig einen engagierten Partner gefunden, der die Idee tatkräftig unterstützte und Widerstände überwand.


Die Beschäftigung mit Kunst sollte nicht im therapeutischen Sinne stattfinden, vielmehr gingen die Insassen in der Bildhauerwerkstatt einer Vollzeitbeschäftigung nach, die ihrem Alltag Struktur verlieh. Hier konnten sie kreative Seiten an sich entdecken, die ihnen bislang verschlossen waren. Sie hatten Erfolgserlebnisse, wenn eine Aufgabe gelang, und lernten Widerstände zu überwinden und geduldig ein Ziel zu verfolgen, wenn die Arbeit nicht so leicht von der Hand ging. Für die Resozialisierung der Gefangenen ist die Ausbildung dieser Fähigkeiten, zu denen auch Verlässlichkeit und Teamgeist gehören, unerlässlich. Da¬mit leistet die Werkstatt eine wichtige Aufgabe im Rahmen des Strafvollzugs. Mittlerweile finden auch junge Straffällige und Langzeitarbeitslose hier ihren Platz.


Schon fünf Jahre vor der Eröffnung der Bildhauerwerkstatt hatte die Bürgerschaft das Gesetz zur Kunst im öffentlichen Raum verabschiedet und war damit bundesweit ebenso Wegbereiterin einer neuen Bewegung wie im Falle der Bildhauerwerkstatt. Neben den Werken namhafter Künstlerinnen und Künstler wurden auch Arbeiten aus der JVA Oslebshausen auf Bremens Straßen und Plätzen ausgestellt. Skulpturen aus Holz und Stein findet man beispielsweise auf Kinderspielplätzen oder im Bürgerpark. Für die Gefangenen bedeutet dies eine Wertschätzung ihrer Arbeit, mit der sie einen kleinen Ausgleich für den Schaden, den sie der Gesellschaft zugefügt haben, leisten können. Durch die dauerhaft im öffentlichen Raum stehenden Skulpturen und die Ausstellungen »Kunst im Knast« wurden die JVA und ihre Insassen auch positiv wahrgenommen.


Gelingen konnte dies alles nur, weil sich im Verlauf der vier Jahrzehnte viele Menschen für diese Idee eingesetzt und sie unterstützt haben. Hier sei stellvertretend an die Gefängnisdirektoren Erhard Hoffmann und Hans-Henning Hoff erinnert. Letzterer engagiert sich heute im Verein »Mauern öffnen« für die Werkstatt. Den Verein hatten der Senator für Justiz und der Senator für Kultur als Trägerverein der Werkstatt gegründet, die sie bis heute finanziell und ideell unterstützen.
Ich möchte auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Strafvollzugs und den Künstlern und Künstlerinnen für ihren Einsatz danken, ohne die ein solches Projekt nicht möglich wäre, sowie Hans-Joachim Manske, der sich in der Kulturbehörde von Beginn an für die Kunst im öffentlichen Raum engagiert hat.