Werkstattgespräch

von Andreas Kremsler, Holger Voigts und Martina Benz,

künstlerische Leitung Erwachsenenwerkstatt

aus "Mauern öffnen: 40 Jahre Bildhauerwerkstatt in der JVA Bremen"

 

MB: Lasst uns mit dem Thema »verschüttete Kreativität« beginnen - ein guter Aufhänger für 40 Jahre Bildhauer­werkstatt. Bedeutet verschüttete Kreativität, dass etwas im Individuum vorhanden ist, das man ausgraben könnte? Wenn das in der Gründungszeit der Bildhauerwerkstatt unsere Vorstellung war, wie denken wir heute darüber?

HV: Wenn ich mich recht erinnere, heißt das Buch, das Siegfried Neuenhausen veröffentlicht hat »Graben nach verschütteter Kreativität«, und ich glaube, das Graben ist dabei ganz wichtig. Man kann erstmal annehmen, dass es eine Grundkreativität bei jedem gibt. Ich glaube nicht, dass diese Kreativität unbedingt von selbst nach außen dringt.

AK: Dieser Aspekt geht stark von einer Künstlervorstellung von Kreativität aus. Wenn ich manche unserer gefangenen Mitarbeiter betrachte, finde ich sie hochgradig kreativ, zum Beispiel, wie sie Drogen verstecken oder wie sie durch den Knast-Alltag kommen: höllisch kreativ. Ich sehe eher den Ansatz, dass wir diese Dynamik umlenken in etwas Anderes, in etwas Legales, in etwas, dass andere erfreut.

MB: ... und eine durchaus zufriedenstellende Arbeit sein kann, die die Insassen selbst erfüllt.

HV: Ohne Kreativität kommen die meisten unserer Insas­sen gar nicht durch den Knast. Sie müssen sich jeden Tag ausdenken, wie sie an irgendetwas kommen und wenn es nur eine frische Unterhose ist oder Drogen. Aber dieses Sich-etwas-ausdenken: wie komme ich durchs Leben, was kann ich machen? - das ist Knast-Alltag. Diese Ener­gie umzulenken in eine gestalterische Kreativität, das ist unsere Aufgabe. Die Herausforderung sind die Leute, die einfach nur irgendeinen Job suchen. Die bei uns ankommen und eigentlich mit dem Ganzen noch nie konfrontiert wor­den sind - wie kriegt man die auf eine kreative Schiene?

AK: Da kommt mir der Gedanke, dass es bei vielen Insas­sen auch nicht um die Kreativität geht, die wir als Künst­lerinnen und Künstler meinen: etwas Neues oder etwas ganz Spezielles schaffen. Kunst machen hat ja so einen ganz großen Anspruch, aber mein Gefühl ist, dass der Anspruch bei den Insassen ein anderer ist: Dass sie erst einmal mit den Materialien arbeiten und dabei etwas er­schaffen, wofür sie Verantwortung übernehmen, was ankommt und was andere auch gut finden.

HV: Damals gab es viele Skulpturen, in denen man die Beschäftigung der Insassen mit der eigenen Situation erkennen konnte, also mit dem Umstand, straffällig ge­worden zu sein, im Knast zu sein, eingesperrt zu sein, die Freiheit verloren zu haben. Diese Themen sind möglicher­weise bewusst angestoßen worden. Wir beschäftigen uns jetzt nicht so sehr mit unserem Innenleben, sondern mit Projekten für draußen, zum Beispiel für einen Kindergar­ten, und wählen die Skulpturen entsprechend aus. Es ist ja nicht angemessen, die Skulptur eines Eingesperrten mit einem traurigen Gesicht in einem Kindergarten aufzu­stellen. Im Unterschied zur Anfangszeit hat sich unser Vorgehen stark verändert.

MB: Wenn man sich Kataloge von anderen JVA-Projekten ansieht: Viele Objekte werden mit einem Gitter oder einer Gitterfassade im Hintergrund fotografiert, als sei das Ob­jekt nicht mehr so wertvoll, wenn nicht ganz klar wäre, dass es hinter Gittern entstanden ist. Das spielt bei uns keine Rolle. Durch die Projektorientierung, also die Orien­tierung nach draußen, gehen auch die Fantasien der Insas­sen in ganz andere Richtungen. Wir haben uns mit ihnen ja häufig auf die Darstellung von Tieren geeinigt, das ist ja keine ganz selbstbestimmte Sache, sondern wir steuern das so, dass wir die Werke für ein Projekt gebrauchen können.

HV: Wir haben die thematische Richtung der Beschäfti­gung mit »sich selbst«, der eigenen Situation verlassen. Wichtig ist, dass man einfach etwas macht, um die Situ­ation zu verändern und um sich erfolgreich zu erleben. Ob man nun eine Holzbank baut oder letztendlich bei uns eine Tierskulptur herstellt, das hat, glaube ich, am Ende den gleichen Effekt. Es geht darum, diese Arbeit zu ma­chen, daran Freude zu haben, sie gut zu machen. Dass sie dann auch noch öffentlich ausgestellt wird und auch andere Leute sie gut finden, das macht dann dieses Schulterklopfen aus.

AK: Ebenso wichtig finde ich, den individuellen Umgang der Insassen mit verschiedenen Materialien zuzulassen und zu fördern. Ein »Hau-drauf-Typ« bekommt eine dicke Eiche und ein »Modellier-Typ« eine Keramik-Arbeit und kann sich so individuell ausdrücken. Individualität über das Material, die Materialwahl und die Bearbeitungsart. Wir lassen es ja zu, dass ein feinmotorisch nervöser Typ kleinteilige Arbeiten macht, und sagen nicht: »jetzt musst du einen Bären machen, der muss so und so ausschauen«.

HV: Wenn wir drei oder vier verschiedenen Insassen sagen: das Thema ist Bär, dann kommen da völlig unterschied­liche Bären heraus, die aber durchaus ihre ganz eigenen Qualitäten haben.

MB: Was ich bemerkenswert finde bei allen Arbeiten: der Charme liegt im Scheitern. Dort, wo etwas nicht so richtig klappt, entstehen oft unkonventionelle Lösungen, das beobachte ich gerne.

HV: Dabei muss ich an die Hunde aus der Jugendwerkstatt denken: Die Jugendlichen wollen ja immer irgendwelche Kampfhunde machen und dann kommen so niedliche Viecher raus. Am Ende sitzt da ein Schoßhund, und das Attribut, das vom Kampfhund noch übrig ist, ist das Stachelhalsband.

MB: Wir produzieren ja sehr viel für Projekte, und wir alle fragen uns, ob diese Projektarbeit zu viel Raum einnimmt. Das ist eine Frage der Wirtschaftlichkeit, das wissen wir, aber ich würde gerne nochmal die Ausstellung in Berlin erwähnen. Das war die einzige Ausstellung in letzter Zeit, die nicht als reine Verkaufsausstellung konzipiert war. Auch dadurch, dass die Ausstellung kuratiert war, war die Auswahl der Arbeiten eine ganz andere. Das hat unserer Sichtweise neue Impulse gegeben, so dass wir seitdem auch mehr Eigenwilliges der Insassen zeigen.

HV: Ich finde, dass diese ausschließliche Ausrichtung auf Projekte problematisch ist, das lässt sich aber wirtschaft­lich im Moment nicht anders darstellen. Eine Idealvor­stellung von mir wäre beides. Also Arbeiten entstehen zu lassen ohne Auftragsziel, sondern einfach zu sagen: macht doch! In den Anfängen meiner Mitarbeit war es so, dass wirklich freie Arbeiten gemacht worden sind, die dann gesammelt wurden. Damals hatten wir aber höchs­tens ein oder zwei Gelegenheiten im Jahr etwas draußen aufzustellen und vieles ist auch da geblieben. Wir hatten* dadurch einen Fundus für die Ausstellungen. Jetzt produ­zieren wir ein Projekt nach dem anderen, und es bleiben wenig »freie« Arbeiten übrig.

AK: Wir sind ja einerseits mit Schwankungen im Zeitablauf der Projekte konfrontiert und andererseits von dem Poten­tial der einzelnen Insassen abhängig. Momentan haben wir zwei begabte und recht selbständig arbeitende Insassen und dadurch wieder relativ viele freie Arbeiten.

MB: Viele Insassen würden ihre Arbeiten gerne selbst besitzen, und es ist eine komische und schwer verständ­liche Sache, ihnen zu erklären, dass sie ihre eigenen Werke kaufen müssten. Man könnte wirtschaftliche Grün­de vorbringen, dass da eine große Logistik dahintersteht: der Stein und das Werkzeug usw.

HV: Du musst immer bei der normalen Ökonomie bleiben. Du musst ihnen erklären, dass sie, wenn sie bei Mercedes arbeiten, das Auto ja auch nicht mit nach Hause nehmen dürfen. Wenn sie einen Mercedes haben wollen, dann müssen sie den bezahlen, auch wenn sie selber dran geschraubt haben.

MB: Mir geht es oft so, ein Mitarbeiter macht was am Stein oder am Holz, und das sieht gerade wunderbar aus und könnte so eine schöne Richtung nehmen. Dann wünsche ich mir, dass jetzt entsprechend meiner Vorstellung wei­tergearbeitet wird, und dann werde ich logischerweise enttäuscht. Ich versuche, Einfluss darauf zu nehmen, dass am Ende eine gute Skulptur entsteht. Das liegt natür­lich an meinem Glauben, zu wissen, was eine gute Skulp­tur sein könnte.

HV: Man will doch manchmal nur einfach Stopp rufen, nix mehr machen, ist gut! Fertig!

MB: Da ist es gut, dass man Chef ist, obwohl das pädago­gisch nicht so sinnvoll ist. Man merkt aber, dass wir an den Produkten interessiert sind, mehr als an den Prozessen.

HV: Wenn ich eine Arbeit irgendwie auf einem guten Weg fand und dann nach ein paar Tagen wieder kam, dachte ich oft, was ist denn jetzt passiert? Diese Vorstellungen zu durchbrechen, dass die Sachen bei den Insassen glatt und schön sein müssen, das ist, glaube ich, auch ein Problem. Man weiß es ja selber, wenn man etwas im Ungefähren anlegt, dann sieht es ja nicht falsch aus.

AK: Ein weiterer Punkt ist, dass die Insassen manchmal bestimmte Bearbeitungsarten bevorzugen. Ich muss an einen ehemaligen Insassen denken, der unglaublich gern geschliffen hat, der wollte einfach nur schleifen, wollte es glatt haben. Ich habe alles in der Werkstatt zusammen gesucht, das man irgendwie schleifen konnte, und ihm gegeben. Er war total zufrieden damit. Oder ein anderer Insasse, wie er stundenlang nur mit dem Spitzeisen gear­beitet hat. Da trat die eigentliche Form fast in den Hinter­grund, und bestimmend wurde dieses manische Spitzen, Hämmern, diese rhythmische Bewegung, die die Stein- und Holzbildhauerei ermöglicht.

HV: Im Grunde genommen war er wie ein Marathonläufer, dem es einfach nur um diese Bewegung ging, um dieses Laufen. Es ist ja völlig egal wohin und ob es regnet oder schneit. Hauptsache, diese Bewegung ist da.

MB: Dennoch hat er einen Anspruch gehabt. Ich glaube, das ist wichtig. Er wollte eine Skulptur machen, auch wenn er sich da nicht besonders dreidimensional eingefühlt hat und sie immer reliefartig blieb. Dabei haben seine Arbeiten aber auch so ihre Qualitäten gehabt.

MB: Es kam neulich mal ein Gespräch darüber auf, eine zeitliche Grenze für die Beschäftigungsdauer der Insassen festzulegen.

HV: Bei einigen Insassen hätte ich Probleme, so eine Gren­ze zu setzen, vor allem bei denen, die sich wohl fühlen und wissen, dass sie es können. Bei anderen, wenn dieses persönliche Wollen nicht mehr da ist, könnte man so eine Grenze setzen.

AK: Zum Beispiel stellen wir auch oft die Insassen ein, die woanders rausfliegen. Wenn jemand bei der Arbeit mit dem Stein einen Schlag die Stunde macht, würde er in jeder anderen Werkstatt rausfliegen, aber in unserer Werk­statt kann diese Langsamkeit auch etwas Besonderes hervorbringen.

MB: Dass wir die Qualität von einem Schlag pro Stunde erkennen. Ich mache mich jetzt ein bisschen darüber lustig, meine das aber ernst.

AK: Das ist ja auch das Spezielle.

HV: Wir haben Leute, die sind faul und haben auch keine Lust. Die machen wenig oder nichts oder beschäftigen sich mit irgendwas, was gar nichts bringt. Bei solchen Mit­arbeitern kommt am Ende trotzdem etwas Gutes raus. Diese Unterscheidung zu treffen ist schwierig. Wenn je­mand nur produziert, damit man sagt, der ist fleißig, der kann hierbleiben, das ist, glaube ich, falsch.

MB: Ich glaube, dass es unterschiedliche Ursachen von Faulheit gibt, zum Beispiel die Faulheit aus Überforderung.

AK: Wenn jemand keinen Spaß an der Arbeit hat, trägt sich so etwas irgendwann nicht mehr, und das merkt man. Dann geht das Arbeitsverhältnis einem Ende entgegen. Irgendwann entlassen die Insassen sich auf eine Art selber. Die wollen ja nicht aufhören, die sagen nicht, ich komme hier nicht mehr klar mit der Kunst, sondern das ist auch ein Arbeitsplatz, den wollen sie halten, und dann scheitert es eher an irgendwelchen anderen Punkten.

MB: Draußen ja auch, wenn man sich ansieht, wie die Welt, die Kunst sich und so vieles verändert hat. Es ist ja nur folgerichtig, dass auch wir und das Konzept der Werkstatt sich verändert. Man muss sich auch immer bei den verän­derten Bedingungen des Knast-Alltags und den wirtschaft­lichen Möglichkeiten, drumherum Skulpturen aufzubauen, weiterentwickeln. Ich finde es gut, flexibel zu sein.

AK: Ich würde das Konzept auch weiterentwickeln. Ich bin froh, dass man auch so eine Ideologie in Frage stellt und jetzt nicht sagt, das ist jetzt Knast-Kunst, sondern wirklich mehr auf den Ansatz guckt, dass das jetzt auch zum Beispiel eine Art Arbeitstherapie ist. Also, dass es um das Arbeiten an sich geht.

MB: Hinzu kommt die Vermittlung von Handwerk, das spielt ja auch eine recht große Rolle. Für die Insassen bleiben viele kreative Möglichkeiten, wir wissen aber auch, dass es immer mal wieder jemanden gibt, der simples Ausdrücken von Gipsformen gerade klasse findet. Früher gehörte es ja auch noch zum Konzept, dass auch die Künstler an eigenen Skulpturen in der Werkstatt arbeiten, das machen wir ja nicht mehr.

HV: Das liegt in erster Linie daran, dass wir es einfach nicht mehr hinkriegen. Wir müssen ja jetzt sehr viel orga­nisieren, fast so wie ein Baustellenleiter oder Polier, der mauert auch nicht mehr selber, weil er sehen muss,dass die Steine da sind, und nachmessen, damit die Pläne ein­gehalten werden. Früher ist man gekommen, hatte genau wie die Insassen acht Stunden Zeit und vielleicht zwischen ­drin mal drei Telefonate geführt.

MB: Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ich konzentriert an eigener Sache arbeiten könnte. Aber ich weiß, als ich angefangen habe, war das noch eine tragende Idee der Werkstatt. Ich habe dann mal in der Mittagspause mit irgendetwas angefangen, dann blieb das aber in den Mittagspausen hängen. Ich habe es auch als ungehörig empfunden, meine Arbeitskraft dem Verein nicht als Werkstattleiterin zur Verfügung zu stellen, sondern meine eigenen Arbeiten zu machen. Für das gemeinsame Ar­beiten mit den Insassen könnte es aber auch durchaus positiv sein.

HV: Das müsste man auf Dauer gesehen noch mal thema­tisieren. Ob das nicht wirklich doch eine beispielhafte Wirkung auf die Insassen hätte, wenn sie sähen, der Künst­ler macht da was und mit dem kann ich darüber reden, und er erklärt mir, was er da macht. Dass unser eigenes Arbeiten eben auch einen ganz wichtigen Effekt hätte.

AK: Aber dieser Aspekt ist ja schon auch da. Es kommt häufig vor, dass man bei den Insassen mitarbeitet und ihnen etwas zeigt.

HV: Das ist richtig, aber es ist nicht deine eigene Arbeit.

MB: Wir sehen bei einer Skulptur ja sofort, was der Anteil unserer Kollegen daran ist oder was die Insassen gemacht haben. Das Interessante ist ja, dass die Insassen das sehr schnell als ihre eigene Leistung akzeptieren. Da ist sehr viel von uns drin, ohne diese Korrekturen wären das ande­re Skulpturen. Ich nehme häufig den Meißel und Hammer, um einfach mal etwas praktisch zu zeigen. Nachahmung ist ja ein gutes Konzept, um etwas zu begreifen.

AK: Also nochmal zum Thema Ausstellungen, Projekte und wie wir so arbeiten. Ich rede immer von der Bildhauer­werkstatt. Ich würde unsere Werkstätten nicht »Kunst­werkstatt« nennen. Es fällt mir schwer, das Ganze jetzt Kunst zu nennen. Da fehlt die Zielrichtung. Für mich ist es eher ein Bauschmuck. Ähnlich wie bei den mittelalter­lichen Kathedralen, wo die Freiheit der beteiligten Hand­werker in der einzelnen Ausarbeitung lag, aber nicht so sehr in der freien Wahl, was man überhaupt macht. Ich finde, dass wir uns eher in so einem Feld bewegen.

MB: Wenn man bedenkt, dass die ganze Bildhauerwerk­statt als Projekt eine bestimmte Gruppe von Partizipatoren hat, dann sind ja solche Projekte zunehmend in unserem gesellschaftlichen Kontext beliebt. Es beschäftigen sich einige Kunstschafenden damit, dass sie einen Beteiligungsprozess mit Dritten in ihre Kunst einbauen, in der Vielfältigkeit Vorkommen kann, ohne die Qualität des am Ende entstandenen Werks aus den Augen zu verlieren. Insofern könnte man durchaus behaupten, dass natürlich nicht jedes einzelne Werk unserer Insassen ein Kunstwerk ist oder wir die Insassen befähigen wollen, Künstler zu werden. Aber dass das ganze Vereinsprojekt ein Kunst­projekt ist.

HV: Ich glaube, es gibt immer eine innere Klammer von Bildhauerwerkstatt und Knast, wie das funktioniert und was man da macht. Und dann gibt es so eine übergeord­nete Klammer, das ist das Projekt Bildhauerwerkstatt. Klar versuchen wir, die Sachen so zu realisieren, dass sie gut und pfiffig sind. Wir gestalten öffentlichen Raum mit den Insassen, das würde ich als Kunstprojekt sehen. Die Arbeit mit den Insassen ist Arbeitstherapie, ein biss­chen indirekte Therapie, ein bisschen Kreativität, der Weg zu einem Kunstprojekt führt über diese Mischung.

AK: Wir sind ein etablierter Betrieb. Wenn man mal be­trachtet, dass die Insassen und die Künstler das ganze Jahr über jeden Tag hier sind. Manchmal wirft die Arbeit Perlen ab, die wir dann aufsammeln. So würde ich mir auch die zukünftigen Projekte vorstellen. Ich fand es schon immer gut, wenn man Sachen frei laufen lässt und diese danach zu einem Ganzen zusammensetzt. Ich glaube schon, dass unsere Projekte nicht unbedingt so sein müssen, dass es einen genauen Plan gibt, der 1:1 umge­setzt wird. Ich denke da zum Beispiel an unser letztes Projekt, da gab es ein Modell, und das wurde danach ganz anders und viel besser. Die Bildhauerwerkstatt kann niemals eine »Umsetzungswerkstatt« werden, die wirk­lich nur nach Plan arbeitet.

HV: Durch die Rahmenbedingungen der Bildhauerwerk­statt können die Insassen das für sie passende Arbeitsma­terial und Arbeitstempo selbst wählen bzw. ausprobieren. Dadurch können sie ihre eigenen Ausdrucksmöglichkeiten finden, was ja ein kreativer Prozess ist. Dieses sanktions­freie Ausprobieren (natürlich im Rahmen der Werkstatt- und Knastregeln) und außerhalb der gesellschaftlichen Leistungsnormen etwas zu leisten, bietet den Insassen die Chance, sich selber anders als sonst und positiv wahrzunehmen.